… von der Notwendigkeit, alles anders zu sehen …
In meinen Arbeiten zeigt sich alles, was ich bin und auch was ich nicht bin.
Alles, was ich erfahre, sehe, höre, berühre, empfinde – alles, woran ich glaube, all meine Hoffnungen, Ängste, Inspirationen, meine Vergangenheit, Gegenwart und meine Zukunft sind darin verwoben.
Wer wäre ich ohne meine Geschichte?
Ein spannendes Unterfangen, diese Wahrheit zu ergründen.
Die vielen Schichten unseres menschlichen Seins, das Eintauchen in die Tiefen unserer Seele, die Abgrenzung von Individualität und Kollektivität, die unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen untersuche ich.
Reflexionen und Interpretationen des Gesehenen, Gehörten, Gerochenen, Geschmeckten übersetze und verarbeite ich in meinen Werken.
Es ist ein ständiger Prozess, der nie endet.
Es ist die Suche nach dem Archaischen, dem Ursprung.
Der Schwerpunkt meiner künstlerischen Arbeit liegt in interdisziplinären Projekten in den Bereichen zwischen Kunst und Kultur- und Sozialanthropologie, die ich unter Einbeziehung interaktiver Prozesse im öffentlichen und sozialen Raum realisiere.
Das Nicht-Sichtbare ist dabei Teil meiner Recherchen.
Es geht um die Frage unseres Daseins, um die Zerbrechlichkeit unseres Seins.
Ich sehe den menschlichen Körper als Resonanzboden – wir nehmen mit jedem einzelnen Organ auf, was von Außen auf uns trifft. „Außer sich Sein“ ist also fast ein Normalzustand. Es wird kaum evident, dass unser gesamter Körper beseelt ist.
In meinen Recherchen werden z.B. Körperhaltungen und Gesten zum Untersuchungsobjekt. Das, was ich wahrnehme, wird aufgezeichnet, es werden verschiedene kulturelle Bedeutungen hervorgehoben – auch um festzustellen, wie Gedanken und Redewendungen unsere Haltung, unsere Emotionen und damit unser Leben beeinflussen.
Diese intersubjektiven Erfahrungen – eine Wissenserhebung mit einem Blick von Innen und von Außen aus der Perspektive der Beobachterin – fließen als Inskriptionen in meine Arbeiten.
© Robert Proisl
Curriculum Vitae
Sylvia Kummer studierte Malerei und Grafik an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
Danach lehrte sie Malerei und Creative Strategies an diversen Universitäten in Österreich, den Vereinigten Staaten, Australien, und China. Gegenwärtig lebt und arbeitet sie in Wien und Niederösterreich.
In ihren Werken spiegelt sich die Vergänglichkeit und Verletzlichkeit des Seins wieder. Der Körper als Raum für Wahrnehmung wird thematisiert – sowohl der eigene als auch der Körper des bearbeiteten Gegenstands.
Während längerer Auslandsaufenthalte in Frankreich, Kanada, den USA, China und Australien – ermöglicht durch diverse Stipendien, Lehraufträge und Ausstellungseinladungen – beginnt Kummer ihre Projekte in einen interkulturellen Kontext zu stellen und verschiedene Formen der Darstellung zu kombinieren: Zeichnung, Malerei, Objekt-Kunst, Installationen und Video.
Sylvia Kummer arbeitet auf Materialien, die sie vor Ort entdeckt, die ihr auffallen oder auf die sie aufmerksam gemacht wird. So finden sich sowohl Fundgegenstände, alte Objekte, die selbst schon Geschichten erzählen, als auch Lederhäute, Papiere und Leinwände innerhalb ihres Oeuvres.
Dieses wurde in einer Reihe von Gruppen- und Einzelausstellungen in Österreich und in den USA, Cuba, Kanada, Australien, China, Europa und bei Biennalen wie Afrika/Biennale Dak’Art OFF 2014, Dakar/Senegal, und auf der Biennale Marokko/Casablanca gezeigt. Ihr interdisziplinärer Ansatz zeigt sich auch in ihrer Dissertation (Im-) Possible Places. Between Art and Ethnography, die sie am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, verfasste.
Textausschnitt aus VIELHEIT UND EINHEIT von Christina Pawlowitsch, 2019:
„Kummers Arbeiten sind nicht gefällig. Dennoch sind die Bilder und Objekte, die sie schafft, furchtbar anhänglich. Ich habe keine Ahnung wer – was – diese kleinen Kreaturen sind, aber ich fühle mich wunderlich hingezogen zu ihnen. Sie rufen eine Art Kindheitszustand des Lebens hervor – den Beginn von Bewegung, Erkunden und Erfahrung – nicht nur eines individuellen Lebens, sondern des Lebens im allgemeinen, als wären sie die Verkörperung der Erinnerung eines früheren Zustands des Lebens, der in unsere Körper geprägt ist.
Der Körper als Raum für Wahrnehmung ist nicht nur eine Abhandlung über den Körper und sein Verhältnis zum Raum. Es ist ein Werk in und mit dem realen Raum, in dem die Ausstellung stattfindet, und als das ist es Viele und Eines zugleich. Da ist ein Kunstobjekt, das der gesamte Raum ist. Dann ist es aber auch viele einzelne Objekte, viele individuelle Arbeiten: Bildwerke, Skulpturen, Gruppen von Bildwerken und Skulpturen. Dieses Eines-und-Viele-zugleich-Sein überträgt sich auf das einzelne Objekt. Viele der Arbeiten beinhalten Welten in sich: kleine Malereien, Zeichnungen oder Schrift in dem größeren Objekt.“